Der Artikel beleuchtet den Wandel in der Energiewelt und wie datengestützte Geschäftsmodelle mit Open Source Energiesimulationstools simuliert werden können, um innovative Lösungen zu entwickeln.
Die Energiewelt befindet sich im Umbruch. Dezentrale Energiequellen wie Solaranlagen und Verbraucher wie Wärmepumpen stellen das elektrische Verteilnetz vor neue Herausforderungen. Besonders kleinere Stadtwerke und Netzbetreiber stehen vor der Aufgabe, diese Veränderungen zu simulieren, um sich auf die neue Energiewelt einzustellen. Ein Forschungskonsortium entwickelt nun ein Open Source Energiesimulation Tool, das diese Herausforderungen adressiert und neue datengestützte Geschäftsmodelle ermöglicht.
Daten sind der Rohstoff der Zukunft – das gilt auch für den Energiesektor. Die Fähigkeit, diese Daten zu nutzen, ist für kleinere Marktteilnehmer jedoch eine Herausforderung. Oft fehlen das notwendige Know-how oder die finanziellen Mittel. Hier setzt das Projekt VISE-D an, das von der Universität zu Köln, der TH Köln und der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wird. Ziel ist es, ein leicht zugängliches und übertragbares Modell von Stromverteilnetzen zu entwickeln, das vielfältige technische und ökonomische Aspekte abbildet.
Im Fokus der Analysen steht das Niederspannungsnetz, also die unterste Ebene des Stromnetzes. Da dessen Gestalt je nach Siedlungsstruktur sehr unterschiedlich sein kann, verwenden die Projektpartner Benchmark-Netze, die sich in anderen Projekten bewährt haben. Darauf aufbauend werden Stromerzeuger und -verbraucher sowie weitere Anlagen wie Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektrofahrzeuge im Netz simuliert. Zudem fließen Faktoren wie Netzzustand und Wetterdaten ein.
Neben dem Netzmodell entsteht im Projekt ein Marktmodell. Dazu sollen zunächst die Akteur*innen des digitalen Energiesystems wie Endverbraucher oder Stadtwerke sowie deren Präferenzen und Bedürfnisse analysiert werden. Anschließend werden Modelle erstellt, um individuelle Interessenslagen abzubilden und den Effekt von neuen Tarifmodellen oder politischen Maßnahmen wie der CO2-Bepreisung zu ermitteln.
Durch diese ganzheitliche Betrachtung von Netz und Markt sowie der zahlreichen technischen, sozioökonomischen und wirtschaftlichen Aspekte können eine Vielzahl von Fragestellungen und Spannungsfeldern adäquat adressiert und erforscht werden. Das Simulationstool wird ein risikoarmer Raum sein, in dem Marktteilnehmer die richtigen Weichenstellungen in einer sich verändernden Energiewelt vorab erproben können.
In den vergangenen Jahren sind immer mehr Solaranlagen als dezentrale Erzeuger sowie Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos als große Verbraucher an ein Netz angeschlossen worden, das dafür ursprünglich nicht ausgelegt ist. Ziehen die Verbraucher zeitgleich Strom aus dem Netz, droht Instabilität. Dieser konkreten Problemlage kann durch einen geeigneten regulatorischen Rahmen begegnet werden, etwa indem die Versorger unterschiedliche Tarife anbieten, z.B. mit günstigem Nachtstrom, damit E-Autos eher in dieser Zeit geladen werden, oder mit der Möglichkeit für Netzbetreiber, Wärmepumpen per Fernzugriff netzdienlich abzuschalten. Beide und noch viele weitere Optionen lassen sich mit dem Open Source Energiesimulation Tool testen.
Das Projekt „VISE-Smart Data: Mehrwertgenerierung durch Energiedaten – Trends & Transformationsprozesse“ wird im Rahmen des Virtuellen Instituts Smart Energy (VISE) durchgeführt, einer NRW-weiten interdisziplinären Forschungsplattform unter der Leitung der TH Köln und der Ruhr-Universität Bochum. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln leitet das Teilprojekt VISE-D und verantwortet die Themen Regulatorik und Marktgeschehen. Das Cologne Institute for Renewable Energy der TH Köln untersucht die Auswirkungen auf die technische Infrastruktur, während der Lehrstuhl für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum das Nutzungsverhalten und Ansätze zur Verhaltensmodellierung untersucht.
VISE-D wird unterstützt durch die assoziierten Partner Stadtwerke Troisdorf GmbH, Beenic Buildings Intelligence GmbH, BDEW-Landesgruppe NRW, ASEW GbR und SME Management GmbH. Fördermittelgeber ist das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die TH Köln zählt zu den innovativsten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Sie bietet Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland ein inspirierendes Lern-, Arbeits- und Forschungsumfeld in den Sozial-, Kultur-, Gesellschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zurzeit sind rund 23.500 Studierende in etwa 100 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die TH Köln gestaltet Soziale Innovation – mit diesem Anspruch begegnet sie den Herausforderungen der Gesellschaft. Ihr interdisziplinäres Denken und Handeln sowie ihre regionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten machen sie in vielen Bereichen zur geschätzten Kooperationspartnerin und Wegbereiterin.
Die Energiewelt steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Dezentrale Energiequellen und neue Verbraucher stellen das Stromnetz vor große Herausforderungen. Mit dem Open Source Energiesimulation Tool, das im Rahmen des Projekts VISE-D entwickelt wird, können diese Herausforderungen simuliert und neue datengestützte Geschäftsmodelle erprobt werden. Dies bietet kleineren Stadtwerken und Netzbetreibern die Möglichkeit, sich optimal auf die Zukunft vorzubereiten und die Energiewelt von morgen aktiv mitzugestalten.